Prostatakrebs: Übertherapie aus der Sicht eines Selbsthilfegruppenleiters
Übertherapie ist eine unnötige Behandlung mit den damit verbundenen Nebenwirkungen aufgrund einer Überdiagnose. Überdiagnose als Vorstufe zur Übertherapie entsteht, wenn ein nicht behandlungsbedürftiger Krebsbefund als behandlungsbedürftig dargestellt wird. Aus Unsicherheit wird daher bei der Diagnose i. d. R. eine Behandlung empfohlen.
Seit vielen Jahren befassen sich Männer aus der Prostatakrebsselbsthilfe damit, wie man unnötige Operationen oder Bestrahlung bei Prostatakrebs als Übertherapie mit allen negativen Begleiterscheinungen durch Nebenwirkungen vermeiden kann. Gleichzeitig möchten sie herausfinden, wer zwar die Eingangskriterien für eine aktive Überwachung erfüllt, aber wegen der Gefahr eines Progresses dafür trotzdem nicht geeignet ist.
Zur genaueren Unterscheidung dieser beiden Phänomene kann auf wissenschaftlicher Basis die DNA-Zytometrie als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen die gesuchten Antworten liefern. Seit März 2011 wurde die DNA-Zytometrie zur Bestimmung der Bösartigkeit der Tumorzellen in der Anleitung zur pathologisch-anatomischen Diagnostik von Prostatatumoren mit Bezug zur S3-Leitlinie für das Prostatakarzinom aufgenommen. Dort heißt es: „DNA-zytometrische Untersuchungen können im Einzelfall als Zusatzuntersuchung bei bestimmten Fragestellungen,z. B. Active Surveillance, neben dem Gleason-Grading durchgeführt werden, sind jedoch nicht als Standard anzusehen.“ Die Untersuchung wird schon seit vielen Jahren bei 16 pathologischen Instituten deutschlandweit ohne zusätzliche Belastung für den Patienten aus dem vorhandenen Gewebe der Biopsie erfolgreich durchgeführt.
Die DNA-Zytometrie stärkt die Indikationsstellung zur aktiven Überwachung. Ob ein harmloser oder ein lebensbedrohlicher Prostatakrebs vorliegt, kann die DNA-Zytometrie signifikant valider vorhersagen als der Gleason-Score (Pretorius et al., 2009) und dies mit über 90-prozentiger Reproduzierbarkeit (Engelhardt, 2012; Gleason-Score: 48 %). Die Publikationen zur prognostischen Validität der DNA-Zytometrie beim Prostatakarzinom belegen in Peer Reviewed Journals statistisch signifikant eine Korrelation mit sog. „patientenrelevanten Endpunkten“, wie dem Vorkommen von Metastasen und Kapsel-überschreitendem Wachstum, der Rezidiv-freien Überlebenszeit und der tumorspezifischen Sterblichkeit.
Ich bin daher der Meinung, man sollte Niedrigrisikopatienten mit Mikrokarzinomen der Prostata zur aktiven Überwachung mit Unterstützung der DNA-Zytometrie als Kassenleistung zur Vorhersage eines klinisch gutartigen Verlaufs ermutigen, statt ihnen Angst vor Tumorprogress und Tod zu machen und sicherheitshalber eine unnötige Therapie durch Operation oder Bestrahlung vorzuschlagen.
Weitere Hintergrundinformationen zur DNA-Zytometrie sind per Internet abrufbar unter: www.prostata-shg.de