Dr. Jacobs Institut

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Omega-3-Fettsäuren

Dr. Jacobs Institut – Omega-3-Fettsäuren

Wie gesund sind Omega-3-Fettsäuren?

•    Omega-3-Fettsäuren
•    Eicosanoid-Stoffwechsel
•    Schützen Omega-3-Fettsäuren vor Krebs oder fördern sie ihn?
•    Fischöl kann Herz und Gefäßen nützen und schaden
•    Schädigungsmechanismen durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren
•    Risikobewertung  durch das BfR
•    Ernährungsempfehlung  für Fette

Meine erste intensive Beschäftigung mit dem Thema Omega-3-Fettsäuren kam durch meinen Vater, Dr. med. Karl Otto Jacob, und meinen Onkel, Prof. em. Dr. med. Ruthard Jacob zustande. Ruthard Jacob leitete zwei Jahrzehnte einen der beiden Lehrstühle für Physiologie in Tübingen mit einem Forschungsschwerpunkt in nutritiver und phytotherapeutischer Kardioprotektion und beschäftigte sich sehr früh intensiv mit Leinöl, Fischöl, Knoblauch, Bärlauch, Weißdorn, OPC etc. Seine Untersuchungen (Tierstudien) warfen ein überwiegend sehr positives Bild auf pflanzliche und marine Omega-3-Fettsäuren. Allerdings zeigte sich auch, dass z. B. die ausgeprägten antiarrhythmischen Effekte der Omega-3-Fettsäuren komplett unter einer Cyclooxygenase-Hemmung (COX) mit ASS verschwanden.

Derzeit werden COX-Hemmer (ASS, COX-2-Hemmer) trotz diverser Nebenwirkungen (wie z.B. Magen-Darm-Blutungen, Inaktivierung von Vitamin C) sehr häufig als eine optimale Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet. COX-Hemmer wie ASS verdünnen das Blut und lindern Schmerzen, indem sie die COX 1 und 2 oder nur die COX 2 und damit die Synthese auch der protektiven Eicosanoide hemmen. Viele günstige Effekte von Omega-3-Fettsäuren werden dadurch dosisabhängig aufgehoben.

Die intensive Auseinandersetzung mit der Studiensituation zu marinen Omega-3-Fettsäuren zeigte eine große Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung, auch bei sogenannten Fachleuten, und der tatsächlichen Studienlage. Dieses Phänomen tritt immer dann auf, wenn hinter Produkten ein großes finanzielles Interesse und Marketing-Budget steht. Die problematische Seite der Omega-3-Fettsäuren wird in der Diskussion nicht thematisiert, vielmehr werden sie zunehmend zu Allheilmitteln hochstilisiert.

Auch steht die häufig dargestellte Essentialität der ‚essentiellen Fettsäuren‘ im Widerspruch zu meinen Erfahrungen in Nordindien, wo wir zahlreiche Patenkinder haben. Die Mütter und Kinder haben einen ausgeprägten Mangel an Omega-3-Fettsäuren und essen nie Fisch. Die Ernährung besteht fast ausschließlich aus Reis, Linsensuppe, Weizenfladen und Chilis. Die Mangelerscheinungen sind offensichtlich, doch die Kinder sind trotzdem relativ intelligent und widerstandsfähig, obwohl sie – unserem Verständnis nach – an schwerwiegenden Gesundheitsschäden leiden müssten.

Zunächst wird die Bedeutung der mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf den Eicosanoid-Stoffwechsel dargestellt, obgleich dies inzwischen zum medizinischen Allgemeinwissen zählt. Weniger bekannt ist der Einfluss von Insulin auf die Bildung von Arachidonsäure und die hohe oxidative Sensibilität der Omega-3-Fettsäuren und deren Folgen.

Eicosanoide

Eicosanoide werden enzymatisch aus den mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure (LA), alpha-Linolensäure (ALA) sowie Arachidonsäure gebildet. Sie werden in jeder Körperzelle produziert und wirken lediglich auf die Zelle ihrer Entstehung und auf benachbarte Zellen ein, ähnlich wie „Gewebshormone“. Zu ihnen zählen Prostaglandine, Thromboxane oder Leukotriene. Sie übernehmen zahlreiche Funktionen, z.B. bei Entzündungsreaktionen, der Entstehung von Schmerzen und Fieber und sind an der Blutdruckregulation, der Blutgerinnung sowie der Regulation des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt. Eine adäquate Zufuhr an essentiellen Fettsäuren beugt einem Ungleichgewicht im Eicosanoid-Stoffwechsel vor und verringert somit auch das Risiko arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen. Auch Allergien und Entzündungsreaktionen verlaufen bei einem ausgeglichenen LA-ALA-Verhältnis milder.

Das richtige Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren

Die Linolsäure ist der wichtigste Vertreter der Omega-6-Fettsäuren und ist hauptsächlich in pflanzlichen Ölen wie z. B. Weizenkeim- und Erdnussöl enthalten. Aus tierischen Erzeugnissen nehmen wir die Arachidonsäure (Fleisch, tierisches Fett, Ei), die ebenfalls zu den Omega-6-Fettsäuren gehört, direkt auf.

Aus Arachidonsäure werden die problematischen Eicosanoide gebildet, wie z. B. Prostaglandin F2a (verengen Blutgefäße, Blutdruck erhöhend), Thromboxan A2 (erhöhte Thrombozytenaggregation), die Leukotriene (intensivere Auslösung allergischer Reaktionen als Histamin), oder Prostaglandin E2 (Erhöhung der Entzündungsbereitschaft, z.B. rheumatische Arthritis) und Schmerzen verursacht.

Durch eine vegetarische und noch mehr durch eine vegane Ernährung sinkt die Arachidonsäure-Aufnahme. Auch aus der pflanzlichen Linolsäure kann der Körper selbst Arachidonsäure und ihre Abkömmlinge herstellen, wenn ihm nicht ausreichend Omega-3-Fettsäuren zur Verfügung stehen. Diese sind der natürliche Ausgleich zu den gerade beschriebenen Abläufen. Aus der ALA und Eicosapentaensäure (EPA) fertigen unsere Zellen hingegen positiv wirkende Eicosanoide, wie Prostaglandin I3, Thromboxan A3, sowie Leukotrien B5. Diese wirken antiinflammatorisch, erweitern die Blutgefäße und verhindern eine Thrombozytenaggregation (Thrombose, Infarkt).

Für eine positive Beeinflussung der Eicosanoidsynthese ist zum einen eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren wichtig, zum anderen spielt ein ausgeglichenes Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren die entscheidende Rolle für die Wirksamkeit:

Omega-6 : Omega-3-Verhältnis in der Nahrung

westliche Ernährung           15-16 : 1 (Simopoulos, 2008)
empfohlen von DGE            5 : 1
antientzündlich                   2 : 1

Da Omega-3-Fettsäuren oxidationsempfindlich sind, ist die Zufuhr durch den Verzehr wenig verarbeiteter Lebensmittel vorteilhaft: Walnüsse, Chia-Samen, Hanfsamen sind besser als das reine Öl. Die Öle erster Wahl sind Leinöl und Hanföl, wobei das Leinöl noch deutlich mehr ALA enthält. Kaltwasserfische enthalten EPA und Docosahexaensäure (DHA).

Insgesamt wirken ALA, DHA und EPA tendenziell antientzündlich, blutdrucksenkend und antiarrhythmisch. DHA und EPA senken auch die Gerinnungsneigung und können bei hoher Dosierung auch immunsuppressiv wirken. Die Arachidonsäure fördert dagegen Entzündungsprozesse.

Entscheidend für die Regulation ist das Insulin. Ein Insulin-Überschuss und Insulinresistenz verschieben das Gleichgewicht der Eicosanoid-Synthese hin zur negativen Art. Aus diesem Grund sollten stark insulinogene Nahrungsmittel gemieden werden.

Insulin ist das zentrale Hormon, das für die Aktivierung der Delta-5-Desaturase benötigt wird. Dieses Enzym konvertiert die Dihomo-gamma-Linolensäure (DGLA) zur proentzündlichen Arachidonsäure (El Boustani et al., 1989; Arbo et al., 2011). Bei niedrigen Insulinspiegeln wird die DGLA nicht zur Arachidonsäure verwandelt, sondern zu Prostaglandin PGE1, das antientzündlich und gefäßerweiternd wirkt. LA wirkt damit nicht automatisch proentzündlich, sondern hängt in der Wirkung von der Stoffwechselsituation (Hyperinsulinämie, Insulinresistenz) ab. Während die Umwandlung von LA letztlich Insulin-abhängig ist, nehmen wir die proentzündliche Arachidonsäure direkt und reichlich aus tierischen Lebensmitteln auf.

Die Fettsäurezusammensetzung der Lipidmembranen und des Fettgewebes hängt sowohl von der Nahrungsaufnahme als auch von der Insulinaktivität ab. Beispielsweise weisen gesunde Kinder mit einer präpubertären Insulinresistenz einen signifikant erhöhten Anteil an Arachidonsäure im Fettgewebe auf (Aldámiz-Echevarría et al., 2007).

Auch die Fettsäurenzusammensetzung der Erythrozytenmembran verändert sich in nur einem Monat durch eine Insulinresistenz. In einer Untersuchung von Mazzucco et al. (2009) wurden 30 gesunde, junge Männer vor und nach einer 35-tägigen experimentellen Bettruhe untersucht. Hierbei wurden die Ernährungsgewohnheiten beibehalten und die Erythrozytenmembranen mittels Gaschromatographie untersucht. Nach dieser Ruheperiode erhöhte sich der HOMA-Index der Insulinresistenz um durchschnittlich 51 %. Der Anteil Arachidonsäure in den Membranen erhöhte sich um 14 %. Der Anteil an den Omega-3-Fettsäuren ALA und EPA war um 4,7 % bzw. 3,8 % reduziert.

Abschließend sei relativierend bemerkt: Bei der klassischen Darstellung des Eicosanoid-Stoffwechsels handelt es sich um eine vereinfachte Darstellung. Insgesamt erscheint die Bedeutung der Omega-3-Fett-säuren überbetont, die Bedeutung anderer Faktoren des Immunsystems sowie des Stoffwechsels (Insulinwirkung) unterbewertet. So lassen sich mit fettarmen Diäten auf reiner Pflanzenbasis mindestens ebenso gute Ergebnisse erzielen wie mit Omega-3-Fettsäuren, wie z. B. Studien mit veganen Rheuma-Diäten zeigen, obgleich dabei der Serumwert der antientzündlichen EPA abnimmt. Eine solche Ernährungsumstellung reduziert die Fäulnisflora und damit die immunologischen Antigene und Antikörper deutlich.

Bei spontanen Auto-Antikörper-vermittelten Krankheiten können die Überlebenschancen und die Schwere der Erkrankung sowohl durch eine fettarme als auch durch eine mit Fischöl supplementierte Ernährung verbessert werden. Dementgegen führt eine Fett- und LA-reiche Ernährung zu einer Verschlimmerung (Harbige, 2003).

EPA und DHA wirken bei hoher Dosierung antientzündlich bis immunsuppressiv. Bei inflammatorischen Krankheiten, Autoimmunerkrankungen oder einigen altersbedingten Leiden können sich Omega-3-Fettsäuren daher positiv auswirken. Eine Immunsuppression bedeutet jedoch auch eine unter Umständen erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten und Infektionen (Pae et al., 2012).

Eine fettarme Ernährung liefert dem Organismus weniger Ausgangsstoffe für eine Eicosanoid-Synthese. Daher wirkt sie insgesamt antientzündlich.

Auch während eines ausgeprägten Mangel-Zustandes an essentiellen Fettsäuren produziert der Körper seine eigene ‚essentielle‘ Fettsäure, die kaum bekannte Mead’sche Säure oder Eicosatriensäure 20:3(n-9). Diese antientzündliche Omega-9-Fettsäure wurde erstmals von dem Biochemiker James F. Mead beschrieben und ist die einzige mehrfach ungesättigte Fettsäure, die der menschliche Körper de novo herstellen kann.

Im Gegensatz zu anderen Geweben hat junger Knorpel einen ungewöhnlich hohen Anteil an der Mead’schen Säure und nur geringe Mengen an mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren. Dies passt zu dem Fettsäuremuster bei Tieren, die einer langen Fastenperiode mit Verzicht auf essentielle Omega-6-Fettsäuren ausgesetzt waren. Eine Reduktion von Omega-6-Fettsäuren und damit eine Akkumulation von Omega-9-Fettsäuren im Knorpelgewebe könnte ein wichtiger Faktor für den Erhalt dieses Gewebes sein (Adkinsson et al., 2012). Haugen et al. (1994) konnten aber keine Veränderung der Mead’schen Säure in der Rheuma-Diät-Studie mit vegan-vegetarischer Ernährung feststellen (vgl. Kapitel 9.5.). Allerdings wurde in dieser Studie nicht der Gehalt im Knorpelgewebe untersucht.

Die Mead’sche Säure erklärt zumindest, warum Unterernährte auch ohne ALA, EPA und DHA noch überleben. Der menschliche Organismus ist auf Mangel eingestellt und kann erstaunlich gut und lange mit vielen Mangelsituationen umgehen, solange sie nicht lebensbedrohlich sind. Eine chronische Überversorgung dagegen trat in der Entwicklungsgeschichte noch nie auf und schädigt ihn auf Dauer immer.

Schützen Omega-3-Fettsäuren vor Krebs oder fördern sie ihn?

Reichlich Fisch ist bisher eine häufige Ernährungsempfehlung bei Prostatakrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Studienlage zeigt diesbezüglich jedoch ein durchwachsenes Bild, welches die Janusköpfigkeit von Fischöl unterstreicht.

In einer prospektiven japanischen Studie (Allen et al., 2004) wurde der Einfluss der Ernährung auf Prostatakarzinome bei 18.115 Japanern untersucht. Kein Lebensmittel zeigte einen positiven Effekt. Doch hatten die Japaner, die besonders viel „gesunden“ Omega-3-reichen Fisch aßen (mehr als 4-mal pro Woche) ein 54 % höheres Prostatakarzinom-Risiko im Vergleich zu Männern, die weniger als zweimal pro Woche Fisch aßen (Allen et al., 2004). Insgesamt haben Japaner durch ihr Ernährungsmuster (wenig Fleisch und Milchprodukte, viel Soja und Grüntee) ein sehr niedriges Prostatakrebs-Risiko, das in der Studie aber durch viel Fisch nicht sank, sondern anstieg.

In der bisher größten Präventionsstudie zu Prostatakrebs (Prostate Cancer Prevention Trial) waren hohe Docosahexaensäure-Serumwerte (DHA) mit einem 2,5 fach höheren Risiko eines hochgradigen Prostatakarzinoms (Gleason 8-10) verbunden. Die Hauptquelle war Fisch. Zu einem niedriggradigen Prostatakarzinom gab es keine Korrelation.

In der bekannten European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC) Studie (Crowe et al., 2008b) war das Ergebnis ähnlich: Das höchste Quintil der DHA-Blutwerte korrelierte mit einem erhöhten Risiko für ein niedrig-gradiges Prostatakarzinom (53 % erhöhtes Risiko) und hochgradiges Prostatakarzinom (41 % erhöhtes Risiko) im Vergleich zu den niedrigsten DHA-Blutwerten. Auch für die Eicosapentaensäure (EPA), die andere Omega-3-Fettsäure aus Fisch, wurde eine Risikoerhöhung für das hochgradige Prostatakarzinom um 100 % festgestellt.

Bemerkenswerterweise ergibt eine andere EPIC-Veröffentlichung keine signifikante Risikokorrelation zwischen Fettsäuren aus Fischverzehr und Prostatakrebs (Crowe et al., 2008b). Im Gegensatz zur Bestimmung der Blutwerte wurde hier die Fettsäuren-Aufnahme aus Fisch durch Fragebögen erfasst.

Wie lässt sich dieser Widerspruch im Prostatakrebsrisiko erklären? Ein entscheidender Punkt ist vermutlich die individuelle Stoffwechsellage: Omega-3-Fettsäuren können insbesondere bei Insulinresistenz und metabolischem Syndrom zu erhöhten Serumkonzentrationen der Fettsäuren, einer Reduktion der antioxidativen Kapazität und einer vermehrten Oxidation der empfindlichen Omega-3-Fettsäuren führen. Im Blutkreislauf unter Anwesenheit von Hämoglobin, Eisen, Kupfer und ROS bei Überernährung sind die empfindlichen Fettsäuren auch im besonderen Maße der Oxidation ausgesetzt. Mit anderen Worten: Der Verzehr der Omega-3-Fettsäuren hat weder einen positiven noch negativen Einfluss auf das Krebsgeschehen. Was aber mit den Fettsäuren dann im individuellen Stoffwechsel und Blutkreislauf geschieht, ist wesentlich. Dies wird noch näher ausgeführt.

Für das Überleben mit Prostatakrebs dagegen könnte Fischkonsum u. U. auch günstige Effekte zeigen, wie das 22-jährige Follow-up der Physician’s Health Study mit 20.167 Teilnehmern nahelegt. Fischkonsum zeigte zwar keinen Einfluss auf das Auftreten von Prostatakrebs, aber senkte die Mortalität der Männer, die an Prostatakrebs erkrankt waren (Chavarro et al., 2008). Möglicherweise kann der Fischverzehr der Kachexie im Endstadium einer Prostatakrebserkrankung entgegenwirken und damit in diesem Stadium das Leben verlängern. Vor aggressivem Prostatakrebs schützt er nicht.

Eine Meta-Analyse von Szymanski et al. (2010) ergab keine Risikoreduktion von Prostatakrebs durch Fisch, doch zeigte sich auf der Basis von vier Studien eine 63 %-ige Reduktion von Prostatakrebs-spezifischer Sterblichkeit. Allerdings schränken die Autoren diese Aussage stark ein: “Unsere Ergebnisse zu metastasiertem und tödlich verlaufendem Prostatakrebs muss mit Vorsicht interpretiert werden, weil nur wenige Studien vorhanden sind. Weitere Studien zu aggressivem und tödlichem Krankheitsverlauf sind erforderlich.” Die Vorsicht dieser Aussage lässt erahnen, dass sich die Studienverfasser der Empfindlichkeit solcher Studien durch Confounder bewusst sind. Beispielsweise verzehren Menschen mit einem generell gesünderen Lebensstil mehr Fisch und weniger Fleisch als ihre weniger gesundheitsbewussten Altersgenossen. Sie pflegen insgesamt in vielen Parametern einen gesünderen Lebensstil. Unbekannte, aber wesentliche Confounder, wie z. B. die Psyche, Familiensituation etc., sind meist nicht berücksichtigt. Besonders im Rahmen einer Meta-Analyse ist eine ausreichende Anzahl von Teilstudien essentiell. Szymanski et al. stützen sich in ihrer Aussage zur Mortalität durch Prostatakrebs lediglich auf vier Kohorten-Studien. Für sehr bedenklich halte ich die Reduktion das Phänomens Japan auf den hohen Fischkonsum der Japaner. Die Chinesen haben eine 64 % niedrigere Prostatakrebs-Mortalität als die Japaner, essen wenig Fisch, aber teilen andere Gemeinsamkeiten der asiatischen Küche: wenig Fett, wenig Fleisch, sehr wenig Milchprodukte, wenig Calcium, viel Grüntee, Gemüse und Sojaprodukte, Maßhalten im Lebensstil, auch wenn all diese Vorzüge allmählich verloren gehen.

Die Studienlage zur Prävalenz und Mortalität bei Prostatakrebs und dem Fischkonsum bleibt weiterhin unklar und erfordert noch einige Forschungsarbeit auf diesem Gebiet und kontrollierte Doppelblind-Studien mit einer Laufzeit von mindestens 1-2 Jahren. Sicher ist nur in allen bisherigen Meta-Analysen das Ergebnis, dass Fischkonsum und Fischöl nicht das Risiko senkt, an Prostatakrebs zu erkranken.

Lee Hooper veröffentlichte 2006 im British Medical Journal (Hooper et al., 2006) eine viel beachtete Meta-Analyse von 48 randomisiert-kontrollierten Studien (36.913 Teilnehmer) und 41 Kohortenstudien mit der Schlussfolgerung: Langkettige und kürzere Omega-3-Fettsäuren haben keinen eindeutigen Effekt auf die Gesamtmortalität, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Ein klinisch bedeutender Schaden konnte nicht ausgeschlossen werden. Vor allem im Zusammenspiel mit der zunehmenden pharmakologischen Polypragmasie (z. B. Fischöl, Gerinnungshemmer, COX-Hemmer) ist die letztliche Gesamtwirkung nur schwer abzusehen.

Die Ergebnisse der Studien zu Fisch, Fischöl und Prostatakrebs sind widersprüchlich und erlauben keine klare Schlussfolgerung. Fisch korreliert in der westlichen Ernährung stark mit einer gesunden Lebensweise. Epidemiologische Studien haben mit vielen Confoundern zu kämpfen, die sich nur begrenzt eliminieren lassen.

Die harten Fakten zur Mortalität und Fischkonsum sprechen dagegen eine klare Sprache:
•    Isländer essen den meisten Fisch und sterben sehr häufig an Prostatakrebs.
•    Japaner essen viel Fisch und sterben selten an Prostatakrebs.
•    Chinesen essen wenig Fisch und sterben noch viel seltener an Prostatakrebs als Japaner.
•    Norweger essen dreimal so viel Fisch wie wir Deutsche und haben eine 60 % höhere Mortalität.

Mein Resümee: Es ist nicht der Fisch, es ist das gesamte Ernährungsmuster und die Lebensweise, die Prostatakrebs fördern oder hemmen!

Tab.: Geschätzte Weltweite Prostatakrebs-Mortalität (http://globocan.iarc.fr)

LandProstatakrebs-Mortalität (ASR)Fischverzehr
(in kg pro Kopf und Jahr)
China1,8<10*
Island17,988,4*
Japan560*
Norwegen18,646*
Schweden19,929,4*
Deutschland11,715,7 **

**ASR (altersstandardisierte Rate) ist eine zusammengefasste Messung der Altersrate, die eine Population mit einer einheitlichen Altersstruktur hätte. Eine Standardisierung ist notwendig, wenn man verschiedene Populationen, die sich im Alter unterscheiden, vergleichen will, da das Alter einen deutlichen Einfluss auf das Sterberisiko bei Krebs-erkrankungen hat. Der ASR ist ein gewichtetes Mittel der altersspezifischen Rate; die Gewichtung der Populationsver-teilung wird von einer Standardpopulation abgeleitet. Der ASR wird pro 100.000 angegeben.

*http://www.fao.org/docrep/t7799e/t7799e03.htm
**www.fischinfo.de

Nicht marine Omega-3-Fettsäuren bei Prostatakrebs

Auch ein Übermaß an der Omega-3-Fettsäure ALA muss nicht zwingend gesund sein. In einer großen Studie aus Uruguay (De Stéfani et al., 2000) führte ALA zu einem 3,9-fach erhöhten Prostatakrebs-Risiko. Eine höhere Risikokorrelation bestand zwischen ALA aus tierischer Quelle, wie beispielsweise von Rindern aus Weidehaltung, als ALA aus pflanzlicher Quelle.

Fazit: Besonders Personen mit metabolischem Syndrom und Insulinresistenz sollten insgesamt ihren Fettkonsum massiv reduzieren und auch mit dem Konsum von sogenannten gesunden Fettsäuren Vorsicht walten lassen. Denn im Fettgewebe findet auch die Produktion von Hormonen und inflammatorischen Zytokinen statt. So ist das metabolische Syndrom mit erhöhter Entzündungsaktivität, mehr oxidativem Stress, verminderten körpereigenen antioxidativen Schutzsystemen sowie mit veränderten Hormonspiegeln (Testosteron, Insulin, IGFs, Östrogenen) verbunden, die alle mit Prostatakrebs in Verbindung stehen (Andersson et al., 1997; Hsing et al., 2007; Pollak, 2008; Renehan et al., 2006). Der Aufbau von stark belasteten antioxidativen Schutzsystemen kann wirkungsvoll durch regelmäßige Bewegung und Pflanzenstoffe wie z. B. Granatapfel-Polyphenole unterstützt werden. Die Gewichtsreduktion durch eine gesunde Ernährungsumstellung (vgl. Kapitel 10) hat erste Priorität, nicht der zusätzliche Verzehr „gesunder“ Fettsäuren. Diese sollten ungesündere Fettsäuren in der Ernährung ersetzen, aber nicht einfach nur zusätzlich verzehrt werden – im Sinne von „viel hilft viel“. Insgesamt ist eine fettarme Ernährung anzuraten.

Fischöl kann Herz und Gefäßen nützen und schaden

Im Jahr 2005 wurde in einer Studie mit 454 Inuit (auch als Eskimos bezeichnet) ein weiterer populärwissenschaftlicher Mythos entthront: Inuit sind durch ihre fischreiche Ernährung nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt, obwohl sie tatsächlich in der Studie sehr viel Fisch aßen und hohe Omega-3-Fettsäure-Spiegel im Blut hatten (Ebbesson et al., 2005). Vielmehr litten 26 % der über 55-jährigen Inuit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und hatten eine hohe kardiovaskuläre Mortalität.

In der berühmten DART-Studie (Diet and Reinfarction Trial) wurden die Langzeit-Effekte von Fisch und Fischöl bei Männern mit KHK untersucht: Zwar gab es anfangs eine 30 %-ige Reduktion in der Gesamtmortalität der Männer, die mehr Fisch aßen, doch diese Reduktion wurde in den folgenden drei Jahren durch ein erhöhtes Risiko von 31 % (im Vergleich zur anfänglichen Reduktion, also 61 % Risikoerhöhung) wieder mehr als ausgeglichen. Das Risiko, an den Folgen eines Schlaganfalls zu versterben, verdoppelte sich sogar (Ness et al., 2002). Dies bestätigt die These, dass anfangs der Nutzen von Fischölen überwiegt, aber mit der zunehmenden Erschöpfung der antioxidativen Schutzsysteme der Schaden immer größer wird.

In einer Studie mit 3.114 Männern (Burr et al., 2003), die über drei bis neun Jahre lief, konnte kein Beleg für den Gesundheitsnutzen von Fisch bei Männern mit Angina Pectoris festgestellt werden. Ganz im Gegenteil: Männer, die zweimal in der Woche öligen Fisch aßen, und besonders Männer, die täglich Fischölkapseln zu sich nahmen, hatten ein 26 % höheres Risiko eines Herztodes und sogar ein 54 % höheres Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu versterben.

Dean Ornish, der eine rein pflanzliche Ernährung favorisiert, aber grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber Fischöl als Supplement hat und zuvor dies auch empfohlen hat, thematisiert in einem Newsweek-Artikel „The Dark Side of  Good Fats“ (2. Mai, 2006) die widersprüchlichen Ergebnisse. Einer der Pioniere der Omega-3-Fettsäuren-Forschung, Alexander Leaf, und Ornish kommen zur Schlussfolgerung, dass Patienten mit fortgeschrittener kongestiver Herzinsuffizienz und chronischer Angina Pectoris Fischöl und Fisch meiden sollten, weil in dieser Konstellation das Risiko für einen plötzlichen Herztod steigen kann. DHA und EPA wirken insbesondere dadurch antiarrhythmisch, dass sie übererregbare Herzzellen ausschalten. Bei ausgeprägter kongestiver Herzinsuffizienz besteht bereits ein kritischer Mangel an funktionstüchtigen Herzmuskelzellen. DHA und EPA können in diesem Fall das Risiko eines Herztodes erhöhen, weil die kritische Masse an arbeitenden Herzmuskelzellen unterschritten wird.

Die Studienlage zu den Effekten von Fisch und Fischöl in der Prävention von Herzerkrankungen und die antiarrhythmischen Effekten bleiben umstritten (Brouwer et al, 2006). Bei Herzrhythmusstörungen sollte aber durchaus der Versuch unternommen werden, ob tatsächlich beim Patienten eine Linderung durch DHA und EPA eintritt. In einer Vielzahl von Studien zeigten sich günstige Effekte.

Doch die übertrieben positive Bewertung von Fisch und Fischöl rechtfertigt die Studienlage nicht. Und ganz sicher ersetzen sie nicht eine gesunde Ernährung mit pflanzlicher Vollwertkost, Rauchverzicht, Bewegung und ein normales Körpergewicht. So wies eine aktuelle Metaanalyse von Rizos et al. (2012) nach, dass die Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren nicht zu einem geringeren Risiko für harte kardiovaskuläre Endpunkte führt. Untersucht wurde der Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit, den (plötzlichen) Herztod, Herzinfarkt und Schlaganfall.

Schädigungsmechanismen durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Die ungesättigten Fettsäuren wie die Omega-6-Fettsäure LA (zweifach ungesättigt) oder die drei Omega-3-Fettsäuren ALA (dreifach ungesättigt), EPA (fünffach ungesättigt) und DHA (sechsfach ungesät-tigt) haben sehr oxidationsempfindliche Doppelbindungen. Je mehr ungesättigte Doppelbindungen, desto höher ist die Oxidationsgefahr.

DHA/EPA-reiche Zellmembranen können leicht zur Quelle von oxidativem Stress für die Zelle werden und bedürfen eines ausgeklügelten antioxidativen Schutzsystems. Daher inkorporieren Hefen und Coli-Bakterien DHA und EPA nicht in ihre Zellwand. In den epidemiologischen Studien EPIC und Prostate Cancer Prevention Trial zeigt sich, dass Omega-3-Fettsäuren mit ihren oxidationsempfindlichen ungesättigten Doppelbindungen ein potentielles Gesundheitsrisiko sind und das Prostatakrebsrisiko erhöhen können.

PUFAs erzeugen in biologischen Systemen oxidativen Stress, wenn sie oxidiert werden. Als Lipid-peroxidationsprodukte entstehen freie Radikale, wie beispielsweise Peroxyl- und Alkoxyl-Radikale. Obwohl diese Lipidhydroperoxide nur eine kurze Halbwertszeit haben, kann deren Abbau zur Bildung von Nebenprodukten der Lipidperoxidation (Aldehyde wie Malondialdehyd und 4-Hydroxyalkenal) führen. Diese haben eine längere Lebensdauer und können einer Vielzahl von zellulären Strukturen schaden.

Die ganze Zelle, der Zellkern, die Mitochondrien und andere Zellorganellen werden von Membranen aus einer Lipiddoppelschicht umgeben. Werden in die Zellmembranen eingebaute Phopholipide oxidiert, entstehen sogenannte RCS (reactive carbonyl species) wie beispielsweise ungesättigte Aldehyde, Dialdehyde und Keto-Aldehyde. RCS sind in der Lage mit zellulären Komponenten zu reagieren und fortgeschrittene Endprodukte der Lipidoxidation zu bilden (ALE = advanced lipid peroxidation endproducts). Die RCS-Verbindungen werden von Pamplona (2008) nicht nur als zytotoxisch beschrieben, sondern auch als Ursache von oxidativem Stress sowie Zell- und Gewebsschädigung, welche zum Funktionsverlust der Zelle führen können. Die vollständigen Auswirkungen der veränderten strukturellen Integrität der Biomoleküle, einschließlich der nachgelagerten Funktionen von Kaskaden, sind noch unklar.

Inwieweit sich der von PUFAs verursachte oxidative Stress auch auf die Erbsubstanz auswirkt, untersuchten japanische Wissenschaftler (Kimura et al., 2012). Sie analysierten bei 495 Probanden den Gehalt zirkulierender mehrfach ungesättigter Fettsäuren (DHA, EPA und LA) in Cholesterinestern im Blut und die im Urin ausgeschiedene Menge des DNA-Oxidationsprodukts 8-oxo-7,8-Dihydroguanin (8-oxoGua). Die 8-oxoGua-Gehalte waren dabei positiv mit dem Gehalt an EPA und DHA in Serum-Cholesterolestern assoziiert. Für LA-reiche Cholesterinester ergab sich eine negative Assoziation: Je höher die LA-Gehalte, desto niedriger die im Urin ermittelten Marker für oxidierte DNA-Moleküle. Schlussfolgerung der Studie: Oxidative DNA-Schäden können durch höhere Konzentrationen von lang-kettigen Omega-3-Fettsäuren (DHA und EPA aus Fisch) größer sein, jedoch mit höheren Konzentrationen von Omega-6-Fettsäuren (LA) geringer.

Derart oxidierte DHA oder EPA können fatale Schäden am Erbgut anrichten oder auch die Apoptose in Krebszellen auslösen. Der Endeffekt ist letztlich nicht absehbar und könnte die widersprüchlichen Studienergebnisse erklären.

Bei SAMP8-Mäusen mit genetisch beschleunigter Alterung verstärkte Fischöl den oxidativen Stress und verschlechterte die Organfunktion (Tsuduki et al., 2011). Die Mäuse, die 5 % Fischöl und 5 % Distelöl mit ihrer Nahrung bekamen, lebten deutlich kürzer als die Mäuse mit 10 % Distelöl. Die Fischöl-Mäuse litten an einer Hyperoxidation der Membranphospholipide und einem reduzierten antioxidativen Schutz.

In einer anderen Studie mit Ratten (Park et al., 2009) führte die Supplementierung mit EPA und DHA (nur 1 % der Gesamtkalorien) zu oxidativen Schäden im Gehirn und erhöhte das Risiko eines hämorrhagischen Schlaganfalls – dies bestätigen die Ergebnisse der DART-2-Studie, welche eine Verdoppelung der Sterblichkeit durch Schlaganfall aufzeigte. Alle Ratten mit 1 % EPA + DHA verstarben durch Hirnblutung innerhalb von 12 Stunden nach einem Eingriff. Das MRT zeigte Ödeme und Blutungen nur in der Rattengruppe mit 1 % EPA + DHA. Die Pegel von Superoxid-Dismutase und Glutathion waren in den mit DHA und EPA supplementierten Ratten signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe.

In einer portugiesischen Studie (Simão et al., 2010) wurde Patienten mit metabolischem Syndrom täglich 3 g Fischöl verabreicht. In der Fischöl-Gruppe fielen zwar die Blutfette, dafür stiegen jedoch das LDL-Cholesterin, der Blutzucker und die Insulinresistenz signifikant an. Eine Studie mit gesunden Probanden (Mata et al., 1996) verglich die Wirkung von gesättigten Fettsäuren (SFA), einfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. 75 % der Fettsäuren in Olivenöl sind MUFA), Omega-6- sowie Omega-3-Fettsäuren (PUFA). Die MUFA zeigten die günstigsten Effekte auf die Plasmalipide. Sie führten außerdem zu einer erhöhten Resistenz gegenüber der Oxidation von LDL-Cholesterin und zu einer geringeren Monozyten-Adhäsion ans Endothel. SFA erhöhten das ungesunde LDL-Cholesterin am meisten, während die PUFA am meisten das gesunde HDL-Cholesterin senkten. Die Resistenz von LDL-Cholesterin gegenüber Oxidation war in der MUFA-Gruppe am höchsten und in der PUFA- und SFA-Gruppe deutlich reduziert. Ein wichtiger Mechanismus wird später noch ausführlich in Anhang 2  zur Wirkung von Granatapfel-Polyphenolen beschrieben: PUFA senken die PON1-Aktivität und verstärken damit oxidativen Stress und senken HDL-Cholesterin.

Bei einem vermehrten Verzehr und Einbau von PUFAs in die Zellmembranen entstehen also hochgradig bioaktive Substanzen (u.a. Lipidperoxide), deren eigene biologische Wirkung in der Zelle und auf den gesamten Organismus ebenso wenig abgeschätzt werden kann, wie die Wirkungen ihrer Abbauprodukte. Diese Beobachtungen zeigen, weshalb die Überprüfung des Antioxidativen-Status vor und während der Einnahme von mehrfach ungesättigten Fettsäuren sinnvoll sind, damit z. B. die positiven antiinflammatorischen Eigenschaften und nicht die prooxidativen Eigenschaften überwiegen (siehe dazu auch: Mahabaleshwar, 2006)

Die körpereigenen ROS-Entgiftungs-Wege über Vitamin E und C funktionieren solange gut, wie ausreichend antioxidative Verbindungen in der Zelle verfügbar sind. Liegt eine starke oxidative Belastung (z. B. Rauchen) vor, so kann eine hochdosierte Supplementation mit fettlöslichen Antioxidantien wie beispielsweise Vitamin E oder beta-Carotin auch zur Stabilisation der Lipid-Radikale führen und deren schädigende Wirkung verstärken. Raucher hatten durch das hochdosierte, fettlösliche Antioxidans beta-Carotin in der finnischen ATBC-Studie 18 %  häufiger Lungenkrebs und in der US-amerikanischen CARET-Studie 28 % häufiger Lungenkrebs. In der CARET-Studie stiegen auch die Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen um fast ein Viertel an.

Ohne Frage braucht unser Körper Omega-3-Fettsäuren, doch wenn die körpereigenen Antioxidantienpools erschöpft sind und Omega-3-Fettsäuren oxidiert werden, verlieren sie nicht nur ihren Nutzen, sondern werden zu einer Gesundheitsgefahr. Viel hilft eben nicht immer viel, sondern schadet meistens. Die kombinierte Einnahme mit natürlichen Antioxidantien oder Stoffen, die die körpereigenen antioxidativen Schutzsysteme aktivieren, ist anzuraten.

Die Hauptquellen von oxidativem Stress in der heutigen Zeit sind Überernährung und Rauchen. Daher sind der in Kapitel 10 dargestellte Ernährungsplan und der Verzicht auf Rauchen auch die sinnvollsten Maßnahmen zum Abbau von oxidativen Stress und wesentlich wichtiger als die zusätzliche Einnahme antioxidativer Substanzen als Ausgleichsmaßnahme. Hierbei sollte auf  natürliche Stoffe (z. B. Karotten, Süßkartoffel), nicht hochdosierte, isolierte Stoffe (z. B. beta-Carotin) gesetzt werden. Negative Effekte traten durch antioxidative Nahrungsmittel nie auf.

Risikobewertung durch das BfR

Bereits 2009 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor einer zu hohen Aufnahme von DHA und EPA, besonders durch angereicherte Lebensmittel und Supplemente. Das BfR wies dabei auf folgende Risikopotentiale durch den Verzehr von DHA und EPA hin:

•    Erhöhung des LDL-Cholesterinspiegels ab 0,7 g DHA/EPA pro Tag
•    Beeinträchtigung der angeborenen und erworbenen Immunabwehr bei älteren Menschen
•    Mögliche Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität bei Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen bei Langzeitanwendung
•    Hinweise auf erhöhte Blutungsneigungen ab 1,5 g DHA/EPA pro Tag

Zudem bestehen laut BfR offene Fragen bezüglich der Auswirkungen einer frühkindlichen Supplementierung mit DHA/EPA auf den Body Mass Index und den Blutdruck des Kindes (BfR, 2009).

Wie essentiell ist Fisch, DHA und EPA für die Gesundheit?

Es gibt bis heute keine Hinweise, dass die extrem niedrige Versorgung mit DHA zu negativen Gesundheitsauswirkungen bei Vegetariern führt (Sanders, 2009). In einer Studie wurden bei 14.422 Männer und Frauen zwischen 39-78 Jahren aus der EPIC- Norfolk-Kohorte in Bezug auf den Verzehr und die Plasmawerte von Omega-3-Fettsäuren untersucht. In dieser großen Studie mit Fischessern, Fleischessern, Vegetariern und Veganern wurde kein Mangel an EPA und DHA im Serum der Vegetarier und Veganer festgestellt, obgleich kein DHA und EPA über die Ernährung aufgenommen wurde. Die Konversion von ALA zu DHA und EPA scheint bei diesen Personengruppen, insbesondere bei Frauen, gesteigert zu sein. Veganerinnen (286 µmol/l) hatten sogar höhere DHA-Serumwerte als Fischesserinnen (271 µmol/l) und die höchsten ALA-Serumwerte – trotz niedriger ALA-Zufuhr über die Ernährung (Welch et al., 2010). Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Wichtigkeit von Fischöl und Fischkonsum als essentieller Teil einer gesunden Lebensweise überbetont und der Einfluss des Gesamtstoffwechsels und der entsprechenden Enzymaktivität unterschätzt wird.

Neurotoxin im Meeresfisch: Quecksilber

Fisch steht natürlicher Weise am Ende der Nahrungskette und enthält dadurch besonders viele Schadstoffe. Er akkumuliert sozusagen „den Müll des Meeres bzw. der Zuchtanlage“ in sich: Methylquecksilber, PCBs, Dioxine, Insektizide, Antibiotika. Nicht nur bestimmte Fettsäuren in Fischen sind problematisch, sondern auch die mit dem Fisch aufgenommenen Umweltgifte. Beispielsweise können schon kleine Mengen von Methylquecksilber (MeHg), einem Neurotoxin, welches vermehrt in Meeresfisch zu finden ist, der Gesundheit schaden. Bereits mit einer täglichen Zufuhr von nur 35,75 ng Quecksilber pro Gramm Nahrung (1,25 % der Gesamtnahrungsmenge pro Tag bestand aus Kabeljau, Thunfisch und Schwertfisch) stellte sich in einer Studie (Bourdineaud et al., 2011) vermindertes Wachs-tum, verändertes Verhalten, erhöhte Ängstlichkeit, veränderte Genexpression in Leber, Nieren und Muskulatur und eine Reduktion der Dopamin-Konzentration in Hypothalamus und Corpus Striatum bei den Versuchstieren ein.

Diese Erkenntnisse sind deshalb so wichtig, weil eben diese Menge an MeHg unterhalb der von der WHO angegebenen PTIW (bedingt tolerierbare wöchentliche Aufnahme: 1,6 µg MeHg/kg Körpergewicht / Woche) liegt.

Des Weiteren überschreiten viele Menschen in der westlichen Bevölkerung, darunter Frauen im gebärfähigen Alter, den PTWI-Wert. Es bewohnen beispielsweise 35 % der französischen Bevölkerung die Atlantik- und Mittelmehrküste und verzehren dementsprechend größere Mengen an Fisch. Mit diesem Fisch verzehren sie auch dessen negative Begleitstoffe.

Ernährungsempfehlung für Fette

„Weniger ist manchmal mehr“, das gilt auch für Fette. Gesättigte Fette (Fleisch, Milchprodukte, Palmfett, Kakaobutter) sollten ebenso wie Transfette gemieden werden, die in künstlicher, besonders schädlicher Form in gehärtetem Pflanzenfett und in Frittiertem sowie in natürlicher Form in Milchprodukten und Fleisch vorkommen. Insgesamt wird eine fettarme Ernährung mit einer Fettaufnahme von maximal 10 % der Gesamtkalorienaufnahme empfohlen, in der die Fette vorwiegend aus pflanzlichen Quellen stammen. Pflanzen haben ein günstigeres Fettsäuremuster als tierische Lebensmittel und bringen positive Begleitstoffe mit sich.

Weiterhin sollte vor allem auf die Behandlung der Fette und Öle geachtet werden. Insbesondere bei Omega-3-Fettsäuren ist auf eine sehr schonende Verarbeitung zu achten. Wer Omega-3-Fettsäure-reiche Lebensmittel (z. B. Leinöl, Hanf, Raps, Fisch, Rindfleisch aus Weidenhaltung, Wild) unsachgemäß zu hell, zu warm oder zu lange lagert oder sie sogar – wie häufig praktiziert – brät, erzeugt besonders krebserregende Stoffe, wie z. B. Lipidperoxide. Japaner essen viel frischen, rohen Fisch, der eine andere Wirkung hat als geräucherter, gebratener, zerkochter Fisch oder ranzige, oxidierte Fischölkapseln.

Die Zubereitung und Frische könnte auch die Erklärung sein, warum in einigen Studien ein erhöhter Verzehr von alpha-Linolensäure mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko einhergeht. Diese Omega-3-Fettsäure ist in der Verarbeitung besonders empfindlich, was leider oft nicht beachtet wird.

Die in Naturheilkundlichen Kreisen beliebte Budwig-Diät (Quark-Leinöl-Kost) ist die einzig relativ gesunde Form der Öl-Eiweiß-Diät. Dennoch dürfte sie zur Krebsprävention und zur Behandlung früher Krebsstadien, wie sie dank der heutigen Diagnostik häufig sind, nicht geeignet sein. Sie kann jedoch durch ihre anabole Wirkung gegen Kachexie bei fortgeschritteneren Krebsstadien, wie sie zu Johanna Budwigs Zeiten die Regel waren, schützen. Auf eine ausreichende Zufuhr von ALA im Verhältnis zu LA sollte geachtet werden. Bei einer geringen LA-Zufuhr sollte täglich z. B. ein Teelöffel frisches Leinöl oder eine handvoll Walnüsse als ALA-Quelle genügen. Walnüsse bringen gleichzeitig natürliche Antioxidantien mit sich.

Auch wenn Fisch keinen essentiellen Teil einer gesunden Ernährung darstellt, ist Fisch sicher gesünder als Fleisch und Wurst und damit ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Fleisch und Wurst damit ersetzt werden. Der Verzehr von Fisch, der meist mit vielen Schadstoffen belastet ist, und Fischöl, bei dem eine gereinigte, stark schadstoffreduzierte Variante gewählt werden sollte, sollte nur in einer moderaten, auf einander abgestimmten Form erfolgen – viel hilft nicht viel, sondern schadet meist.

Bei ernsthaften Erkrankungen sollte dies in Absprache mit dem Arzt und in Abstimmung mit der Medikation geschehen. Insbesondere bei einer blutverdünnenden Medikation und bei ausgeprägter kongestiver Herzinsuffizienz sowie chronischer Angina Pectoris ist besondere Vorsicht geboten. Bei der gleichzeitigen, hochdosierten Gabe von COX-Hemmern besteht Zweifel, ob überhaupt noch eine antientzündliche Wirkung durch Fischöl vorhanden ist.

In Abstimmung mit einer alimentären Aufnahme von Fisch sollten dem Körper zudem ausreichend natür-liche antioxidative Nahrungsmittel oder ggf. niedrig dosierte, nahrungsmitteltypische Dosierungen von Nahrungsergänzungsmitteln zugeführt werden. Die hochdosierte, einseitige Supplementation mit isolierten Antioxidantien (z. B. hochdosiertes Vitamin E oder beta-Carotin) schadet vermutlich mehr, als sie nützt.

Vor allem auf Rauchen sollte verzichtet werden, da dies neben einer Überernährung die meisten freien Radikale freisetzt, die Omega-3-Fettsäuren im Körper schädigen können.